Finanzplatz Schweiz: Jetzt braucht es Gesetze für klimaverträgliche Investitionen
Fehlschlag der freiwilligen Massnahmen
Die Erkenntnisse des am 9. November 2020 veröffentlichten Klimaverträglichkeitstests des BAFU bestätigen das Versagen der aktuellen Politik des Bundesrates, auf freiwillige Massnahmen zu setzen. Mit ihren Investitionen und Finanzierungen befördert die Finanzbranche nach wie vor eine globale Erwärmung, die das Klimaziel des Pariser Abkommens von maximal 1.5 Grad wesentlich überschreitet. Die Klima-Allianz fordert Regulierungen.
Der Bericht des BAFU bestätigt: Banken, Versicherungen und Pensionskassen verhindern durch ihr Investitionsverhalten nach wie vor, dass die Schweiz ihren fairen Beitrag zur Umlenkung der Finanzflüsse gemäss dem Pariser Klimaabkommen leistet.
So zeigt das am 1. November durch die Klima-Allianz veröffentlichte Klima-Rating der Pensionskassen, der Suva und des AHV-Fonds: 92 Prozent des Vorsorgekapitals wird nicht klimaverträglich angelegt. Drei Jahre nach der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens durch die Schweiz ignorieren die Pensionskassen noch weitgehend die Klimarisiken. Es werden nur 8 Prozent der Vorsorgegelder der Schweiz durch Institutionen angelegt, die ihre Investitionen auf eine konsequente Reduktion der finanzierten Treibhausgasemissionen ausrichten.
Banken finanzieren nach wie vor die Neuerschliessung und Förderung besonders schädlicher fossiler Brennstoffe wie Kohle und Erdöl bzw. Erdgas aus Fracking oder Teersanden. Es gibt keine Legitimation dafür, der globalen Wirtschaft einfachen Zugang zu noch mehr fossilen Energieträgern zu verschaffen.
Die EU ist der Schweiz voraus
In der EU müssen Banken, Pensionskassen und die weiteren Finanzakteure ihre Strategien zur Reduktion der finanzierten Treibhausgasemissionen offenlegen. Mit diesem Schritt wird die Finanzwirtschaft verpflichtet, die sich abzeichnenden Wertverluste auf den Investitionen in Unternehmen der fossilen Wirtschaft zu vermeiden.
«Die Klima-Allianz fordert Bundesrat und Politik auf, die Bestimmungen der EU zum verbesserten Management von klimabedingten Finanzrisiken sowie zur Umlenkung der Finanzflüsse sofort und vollständig ins Schweizer Recht zu übernehmen», sagt Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz: «An die Stelle des bisherigen Laissez-Faire muss die aktive Steuerung treten. Finanzinstitute sind zu verpflichten, die von ihnen finanzierten Treibhausgasemissionen offenzulegen. Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und Pensionskassen müssen verbindliche Handlungspläne festlegen, damit sie ihr Geschäft klimaverträglich ausrichten.»
Medienecho:
Tagesanzeiger (9. November 2020), Le Temps, Kommentar (10.November 2020)
Hintergrundinformationen:
- BAFU-Bericht zum Klimaverträglichkeitstest, 9.November 2020
- Bericht zum Klima-Rating der Pensionskassen, Klima-Allianz, 2.November 2020
- Die Politik des Bundesrates: Die Schweiz soll ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen sein, 26. Juni 2020
- Stellungnahme der Klima-Allianz zur Politik des Bundesrates, 3. Juli 2020
Die neuen Regulierungen der EU:
REGULATION (EU) 2019/2088 OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL of 27 November 2019 on sustainability‐related disclosures in the financial services sector:
- Financial market participants shall publish on their websites information about their policies on the integration of sustainability risks in their investment decision‐making process.
- Financial advisers shall publish on their websites information about their policies on the integration of sustainability risks in their investment advice or insurance advice.
- Financial market participants shall include:
- information about their policies on the identification and prioritisation of principal adverse sustainability impacts and indicators;
- a description of the principal adverse sustainability impacts and of any actions in relation thereto taken or, where relevant, planned;
- a reference to their adherence to responsible business conduct codes and internationally recognised standards for due diligence and reporting and, where relevant, the degree of their alignment with the objectives of the Paris Agreement.
Die Klimahebel des Finanzplatzes:
Der grösste Hebel, mit dem die Schweiz einen Einfluss auf das Klima hat, ist das Geld (Klima-Allianz Website).
Die vom Schweizer Finanzplatz gesteuerten Aktivitäten verursachen ein Zwanzigfaches der einheimischen «territorialen» Treibhausgas-Emissionen – oder über 2% der weltweiten Emissionen.
Forderungen der Klima-Allianz
Die Klima-Allianz stellt die folgenden Forderungen an den Bund:
- Die Äquivalenz des schweizerischen Finanzplatzes zur EU ist mit gesetzlichen Offenlegungspflichten des Bundes herzustellen. Diese müssen die klimabedingten finanziellen Risiken darstellen.
- Die Transparenz muss wie in der EU auf der Erkenntnis basieren, dass die treuhänderische Sorgfaltspflicht der Finanzakteure die Berücksichtigung der Nachhaltigkeits- und Klimarisiken einschliesst. Durch gesetzliche Bestimmungen ist Rechtssicherheit herzustellen.
In Äquivalenz zur EU sollten diese für die folgenden Akteure des Finanzdienstleistungssektors gelten.
Finanzmarktteilnehmer:
- Banken (als Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondsanbieter)
- Versicherungen (Privatversicherungen, inklusive Einrichtungen der privaten Vorsorge)Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (Pensionskassen und Versicherungen mit Einrichtungen der beruflichen Vorsorge)
- Suva
- AHV-Ausgleichsfonds (Compenswiss)
- Stilllegungs- und Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke
-
Finanzberater (natürliche und juristische Personen):
- Anlageberater (Investment Consultants)
- Kundenberater
- Investment Controller wie Asset Liquidity Management (ALM) Consultants in der beruflichen Vorsorge
Diese Finanzakteure müssen auf ihren Websites publizieren:
- ihre Strategien zur Einbeziehung von finanziellen Nachhaltigkeits- und Klimarisiken in ihre Investitionsentscheidungsproze
sse bzw. Beratungsprozesse, - ihre Identifikation und Beschreibung der massgebenden finanziellen Nachhaltigkeits- und Klimarisiken.
Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte und -dienstleistungen anbieten (Vermögensverwaltung, Kollektivanlagen/Fonds), müssen die Nachhaltigkeits- und Klimarisiken identifizieren und beschreiben, indem sie die zu erwartenden Auswirkungen auf die Rendite ihrer Finanzprodukte und -dienstleistungen aufzeigen.
Obenstehende Forderungen sind äquivalent zur Verordnung EU 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.
Mit der systematischen Identifikation und Publikation der finanziellen Klimarisiken sowie der Darlegung der Strategie zu deren Vermeidung wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der die Finanzplätze auf einen Pfad der kontinuierlichen Verbesserung der Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit ihrer Finanzflüsse hinführt.