Finanz­professoren wollen Klimawende bei der Nationalbank

Die Auslandsinvestitionen der Schweizer Nationalbank verursachen mindestens so viele Treibhausgase wie die gesamte Schweiz. Eine Parlamentarische Initiative fordert, dass die Nationalbank künftig auch der Nachhaltigkeit und dem Klimaschutz verpflichtet sein soll. Mit einer Stellungnahme an die Mitglieder des Nationalrates fordern zudem namhafte Finanzprofessoren eine Wende in der Geldpolitik der Nationalbank. Die Europäische Zentralbank sowie 18 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden weltweit haben die zunehmenden Klimarisiken für ihre Finanzplätze erkannt, aber die Nationalbank bleibt untätig.

Die Nationalbank hat aktuell rund 10 Prozent ihrer Gesamtreserven, 61,5 Milliarden US-Dollar, an der amerikanischen Börse angelegt. Dabei investiert sie auch massgeblich in Konzerne der fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas. Sie verdoppelt auf diese Weise die CO2-Emissionen der Schweiz. Andererseits ignoriert sie die Verlautbarungen der grossen Zentralbanken und der internationalen Finanzinstitutionen, den Klimawandel ernst nehmen zu wollen.

Experten aus der Finanz- und Wirtschaftswissenschaft stellen sich deshalb in einer Stellungnahme an die Mitglieder des Nationalrates hinter die Parlamentarische Initiative der grünen Nationalrätin Adèle Thorens. Der in der kommenden Session zur Abstimmung traktandierte Vorstoss würde den Rahmen für die Integration der Klimarisiken in die Anlagepolitik und in das Risikomanagement der Nationalbank schaffen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels werden die Länder und Wirtschaften der Welt zu überstürztem Handeln zwingen. Ähnlich der Finanzkrise vor 10 Jahren droht bei fortschreitendem Klimawandel eine Abfolge von Konkursen der fossil-abhängigen Firmen, deren Banken und der Versicherungen, die den Finanzplatz an den Abgrund bringen könnte. Die Wende zur fossilfreien Wirtschaft dürfte die traditionellen Sektoren in Bedrängnis bringen und die Firmenwerte einstürzen lassen. Die Finanzprofessoren stellen fest: “Angesichts der potenziellen Betroffenheit des Finanzplatzes durch Klimaschäden und durch negative Wirkungen der Wende zur kohlenstoffarmen Wirtschaft sollte die Nationalbank mit der Konzeption von Klima-Szenarioanalysen und Klima-Stresstests beginnen”.

“Gesetzliche Präzisierungen des Mandats der Nationalbank sind im Interesse des Finanzplatzes und der Wirtschaft” erklärt Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz Schweiz: «Mit ihrem Gewicht als achtgrösste öffentliche Investorin weltweit und als Systemverantwortliche für den Finanzplatz Schweiz ist ihre Rolle für Klimaschutz und Wirtschaft derart bedeutend, dass ein um die Nachhaltigkeit erweitertes Mandat die Zukunft unseres Finanzplatzes sichert». Mit einem Schreiben an die Mitglieder der Nationalrates ruft die Klima-Allianz zur Unterstützung des Vorstosses auf.

Weiter zuwarten schadet dem Finanzplatz

Bereits haben andere Länder und massgebende internationale Institutionen die zunehmenden Risiken für ihre Finanzplätze erkannt. Darüber hinaus wollen sie auch die Klimachancen für ihre Wirtschaft wahrnehmen. Die Europäische Zentralbank sowie 18 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden von Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Belgien, den Niederlanden, Schweden, Spanien, China, Singapur, Japan, Australien und anderen haben öffentlich erklärt, sie wollten eine Führungsrolle wahrnehmen bei der Eindämmung von Klimarisiken für das Finanzsystem wie auch bei der Wahrnehmung der Chancen zur Finanzierung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Diese Arbeiten für nachhaltige Finanzplätze werden durch die Weltbank, die OECD und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich begleitet.

“Die Nationalbank muss jetzt eine aktive Rolle im Gesamtinteresse unseres Landes wahrnehmen», erklärt Sandro Leuenberger, Projektleiter der Klima-Allianz Schweiz. “Ohne eine baldige Wende in der Geldpolitik der Nationalbank gerät der Finanzplatz Schweiz ins Abseits”.

Stellungnahme aus der Sicht der Finanz- und Wirtschaftswissenschaft zur Unterstützung der parlamentarischen Initiative der Nationalrätin Adèle Thorens zur Änderung des Nationalbankgesetzes – Integration der Klimarisiken in das Risikomanagement der Nationalbank

Einige Unterzeichnende:

– Prof. Sergio Rossi, Chaire de macroéconomie et d’économie monétaire, aufgeführt durch die NZZ als einer der 30 einflussreichsten Ökonomen der Schweiz, Universität Freiburg

– Prof. Marc Chesney, Head of Dept of Banking and Finance, Projektleiter des Forschungsschwerpunktes “Finance and Financial Markets”, Autor der Studie “Mitigating Global Warming: A Real Options Approach”, Co-Autor der Studie “The impact of possible climate catastrophes on global warming policy”, Universität Zürich,

– Prof. Philippe Thalmann, Professur für Umweltökonomie, Nachhaltige Entwicklung und Klimawandel, Mitglied des Beratenden Organs für Fragen der Klimaänderung (OcCC), Kuratoriumsmitglied des Forums ProClim der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften, EPFL Lausanne

– Prof. Stefano Battiston, Professur für Dynamik von Finanzsystemen,

Gründer FINEXUS Center for Financial Networks and Sustainability, Autor der Studie “A Climate Stress Test for the Financial System”, Dept. of Banking and Finance, Universität Zürich

– Prof. Anthony Patt, Umweltsystemwissenschaften, Klimaschutz und -anpassung, koordinierender und leitender Autor des Kapitels über internationale Zusammenarbeit des Bewertungsberichtes des Intergovernmental Panel on Climate Chance (IPCC), ETH Zürich,

Hintergrundinformationen:

Brief der Klima-Allianz an die Mitglieder des Nationalrates (22.11.2018)

Studie der Artisans de la transition zur Anlagepolitik der Nationalbank (April 2018)

Empfehlungen der Klima-Allianz an die Nationalbank zu Klimarisiken (April 2018)

Central Banks should Reflect Climate Risks in Monetary Policy Operations, Pierre Monnin, Council on Economic Policies (Sept. 2018)

Network for Greening of the Financial System (NGFS) (aktueller Stand der Mitgliedschaft)

Publication of the mandates of the NGFS technical workstreams (Mai 2018)

Green Finance: A New Frontier for the 21st Century (Speech of the Governor of the Banque de France, April 2018)