Klimaschädliche SNB missachtet ihr Mandat: Bundesrat muss handeln
Ein kürzlich überwiesenes Postulat des Nationalrats verlangt vom Bundesrat einen Bericht, wie die Nationalbank den Bund bei der Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele unterstützen kann. Auch soll die Regierung Auskunft geben, welche proaktive Rolle die SNB in der Koordination von Klimamassnahmen im Finanzsektor einnehmen kann. Die Klima-Allianz fordert den Bundesrat auf, bei der SNB die vorbehaltlose Unterstützung der Ziele des Pariser Klimaabkommens einzufordern. Auch das Umfeld der SNB verlangt Taten: die Europäische Zentralbank hat sich zur tatkräftigen Unterstützung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft bekannt, und die Zentralbanken von Frankreich und Italien senken den Treibhausgasausstoss, der durch ihre Investitionen verursacht wird.
Das Postulat des Nationalrats und seiner Wirtschaftskommission “Nachhaltigkeitsziele für die Schweizerische Nationalbank” ist ein beträchtlicher Fortschritt: die SNB muss sich nun erklären. Etwa, warum sie mit ihren Investitionen von rund 900 Milliarden Franken nach wie vor so viel Treibhausgasemissionen finanziert wie der Inlandausstoss der Schweiz.
Die SNB verweigert sich bis heute der Verantwortung, zur Erreichung der Ziele des durch die Schweiz ratifizierten Pariser Klimaabkommens beizutragen. Sie schiebt die Verantwortung der Politik und der Wirtschaft zu und beklagt die “Politisierung” der Geld- und Währungspolitik. Es sei nicht ihre Aufgabe, Klimapolitik zu machen. Zwar beschäftigt sie sich erstmals mit den Klimarisiken für das Finanzsystem, nachdem sie als praktisch letzte Zentralbank Mitglied der globalen Dachvereinigung Network for Greening the Financial System (NGFS) wurde. Doch in ihren Stellungnahmen stellt sie noch fest, unsere Banken verfügten über redundante Rechensysteme, die Sachwerte seien gut versichert und das Land liege weit weg von Küstengebieten. Eine Verharmlosung sondergleichen: die Erhitzung im Alpenraum ist bereits heute doppelt so stark wie im globalen Mittel. Zudem ist die Schweizer Wirtschaft stark vernetzt und somit auch von Klimarisiken in anderen Ländern betroffen.
Obwohl die Nationalbank im Landesinteresse handeln sollte, befeuert sie mit ihren Investitionen in fossile Unternehmen die Klimaerhitzung. Die SNB ist damit eine Gefahr für Wirtschaft und Bevölkerung der Schweiz. Die Klima-Allianz fordert den Bundesrat auf, von der SNB die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgabe zu verlangen. Sollte die SNB auf ihrer eigenwilligen Interpretation des Mandats beharren, müssen Bundesrat und Politik die explizite Erweiterung des Nationalbankgesetzes um die Nachhaltigkeitsziele der Bundesverfassung und des Pariser Klimaabkommens in die Wege leiten.
Zentralbanken in Europa anerkennen das Pariser Klimaabkommen
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, hat vor kurzem erklärt: “Die Zentralbanken müssen im Rahmen ihres traditionellen Mandats ihre Anstrengungen verstärken, um einen schnelleren Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu unterstützen”. Sie sagte zudem, die Europäische Zentralbank solle bald klimaschädliche Investitionen auslaufen lassen, indem sie grüne Anleihen bevorzugt. Die Zentralbanken von Frankreich und Italien sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Sie haben ein Programm zur Dekarbonisierung ihrer eigenen Investitionen gestartet.
Anders ist es in der Schweiz. Es wäre die ureigene Aufgabe der SNB, die Klimarisiken vorausschauend zu erkennen. Sie müsste eine Rolle spielen bei der Anpassung der Wirtschaft unseres Landes an den Klimawandel. Eine ihrer Kernaufgaben wäre die Förderung der Finanzierung von Klimamassnahmen, und sie müsste in ihrer Aufgabe als oberste Systemverantwortliche des Finanzplatzes die neuen Risiken erkennen. Etwa, dass Pensionskassen aufgrund ihrer Investitionen in fossile Energien beträchtliche klimabedingte Verlustrisiken in ihren Büchern haben.
Hintergrundinformationen
Postulat des Nationalrats: Nachhaltigkeitsziele für die Schweizerische Nationalbank (eingebracht durch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben WAK-N, an den Bundesrat überwiesen 30.10.2020)
Klimarisiken und Zentralbanken aus der Sicht der SNB, (14.11.2019), Geschäftsbericht 2019 (28.02.2020), Bericht zur Finanzstabilität 2020 (September 2020). Schlüsselbotschaften: Das Bestimmen der Ziele und der Lösungsansätze für den Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft liegt nicht in der Kompetenz der SNB. Den bestehenden Auftrag an die SNB mit Blick auf die Verwirklichung anderer Ziele wie die Förderung einer grünen Wirtschaft zu erweitern, würde … zu einer Politisierung der Geld- und Währungspolitik führen.
Die Nationalbank sendet dem Finanzplatz falsche Signale: Studie der Artisans de la Transition in Zusammenarbeit mit der Klima-Allianz, April 2020
Empfehlungen zu Klimarisiken an die Schweizer Nationalbank (Klima-Allianz, April 2018). Schlüsselbotschaft: Die Investitionen der Nationalbank fliessen hauptsächlich in die vorherrschenden Unternehmen und damit auch in die nicht klimaverträglich und nachhaltig wirtschaftenden Gesellschaften. Dies ist a priori nicht neutral, auch weil die übrigen Sektoren der Realwirtschaft benachteiligt werden. Demnach betreibt die Nationalbank, als ungefähr achtgrösste öffentliche Investorin weltweit, einen für die Weltwirtschaft schädlichen Strukturerhalt, indem sie Sektoren künstlich am Leben erhält, die der Zielerreichung des Pariser Klimaabkommens entgegenstehen. Die heutige, mit dem Begriff der «Neutralität» kaschierte Fixierung sollte zugunsten einer nachhaltigen und klimaverträglichen, breiter aufgestellten Anlagepolitik aufgegeben werden.
Die Klima-Allianz zeigt mit den folgenden Empfehlungen, wie die Nationalbank im bestehenden Mandat klimafreundlich investieren kann und ihrer Aufgabe zur Bewahrung der Finanzstabilität durch Einbezug der Klimarisiken nachkommen soll:
- Die Nationalbank bekennt sich in einem öffentlichen Schreiben zum Pariser Klimaabkommen und zu den UN Sustainable Development Goals und gibt die ersten Schritte bekannt.
- Die Nationalbank erarbeitet vorsorglich Grundlagen, welche die Beherrschung der Klimarisiken im Rahmen der Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems ermöglichen.
- Die Nationalbank beginnt mit der Durchführung von Klima-Stresstests sowie Szenarioanalysen für den Schweizer Finanzsektor – Versicherungen, Banken, Pensionskassen – und veröffentlicht Massnahmen zur Eindämmung von Makro-Risiken.
- Die Nationalbank evaluiert die Exposition ihrer eigenen Investitionen gegenüber Klimarisiken.
- Die Nationalbank erweitert die Anlagerichtlinien, um Investitionen in Unternehmen auszuschliessen, die systematisch gravierende Klimaschäden verursachen.
- Die Nationalbank ermittelt und veröffentlicht die 2°C-Kompatibilität und die CO2-Emissionen ihrer Wertschriften-Portfolios.
- Die Nationalbank legt offen, mit welchen Massnahmen sie den 2°C-Kompatibilitätspfad rechtzeitig erreichen und die CO2-Emissionen reduzieren will, und wie sie deren Erfolg messen wird.
- Die Nationalbank beginnt, die Kohlefirmen und die Unternehmen mit den grössten fossilen Energiereserven der Liste Carbon Underground 200 zu desinvestieren.
- Für die weiteren den Klimarisiken ausgesetzten Sektoren (z.B. der Stromproduzenten, der Ausrüster von fossilen Energieunternehmen oder der Automobilhersteller) greift Die Nationalbank ergänzend nach einem «Best in class» Ansatz ein. Sie fördert diejenigen Firmen, welche die Energietransition entschlossen umsetzen (z.B. mit der Umstellung auf erneuerbare Energien).
Network for Greening the Financial System, SNB muss jetzt handeln: Zentralbanken-Netzwerk will Klimawende, (Klima-Allianz, April 2019)
Stellungnahme von Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB): “The European Central Bank should phase out climate-warming investments by preferring green bonds” (Sept 2019)
Stellungnahme von Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der EZB: “COVID-19 provides a chance to build a greener economy. … It is a chance to build a deeper and greener financial market that reduces the costs of transitioning towards a low-carbon economy. The ECB will be no bystander on this journey. As climate change poses severe risks to price stability, central banks are required, within their traditional mandates, to strengthen their efforts to support a faster transition towards a more sustainable economy.” (Juli 2020)
Contribuer à un investissement responsable, Banque de France, Charte d’investissement responsable 2018, Rapport d’investissement responsable 2019: Ein Drittel des Dekarbonisierungsziels der eigenen Aktien-Investitionen ist bereits erreicht, und ein Fünftel der Unternehmen ist aufgrund von Nachhaltigkeitskriterien ausgeschlossen (Rapport, S. 7).
Privilegiare gli investimenti sostenibili, Banca d’Italia, 2019: Der “Best-in-class”-Ansatz, nur die in Nachhaltigkeitsrating gut eingestuften Unternehmen im Aktienportfolio zu behalten, wird derzeit umgesetzt. Gleichzeitig sinken die finanzierten CO2-Emissionen um einen Fünftel.
Brennpunkt Klima Schweiz, ProClim, Nov. 2016