Pensionskassen: Offener Brief an “ESG-Beginners” – Nachhaltiges Investieren ist ein Muss

Die Informationskampagne der Klima-Allianz

Es besteht ein grosser Aufklärungsbedarf. Die Stiftungsratsmitglieder einer Vielzahl von Vorsorgeeinrichtungen, die über 60% des total investierten Versichertenkapitals ausmachen, haben bisher nicht oder ungenügend für Nachhaltigkeit, Klimaverträglichkeit und finanzielle Sicherheit bei der Investition der ihnen anvertrauten Gelder gesorgt. Dies lässt sich an ihrem Rückstand im Klima- und Nachhaltigkeitsrating der Pensionskassen der Klima-Allianz ablesen. Die Einstufung “Rot” und “Orange” bedeutet, dass sie dem fortgeschrittenen Teil hinterherhinken.

Mit dem Informationsschreiben “ESG und Klima – Ihr Risiko- und Wirkungsmanagement in der Vermögensanlage will die Klima-Allianz bei diesem noch allzu gewichtigen Teil der Pensionskassen die Wende zu nachhaltigen Investitionen fördern. Wir fordern jedes einzelne Stiftungsratsmitglied auf, sich mit allen darin aufgeführten, auf Rechtsgutachten abgestützten Feststellungen auseinanderzusetzen.

Es ist zudem erforderlich, dass die Funktionsträger die ESG-Wegleitung ihres Pensionskassenverbandes ASIP sorgfältig lesen, anschliessend umfassend umsetzen und unter Vermeidung von Greenwashing gegen aussen dokumentieren.

Das Kürzel “ESG” der Finanzsprache steht für “Environment, Social, Governance” und ist seit über 20 Jahren global ein Synonym für nachhaltigeres Investitionsverhalten. Es ist deshalb nicht länger hinnehmbar, dass “ESG” für einen derart grossen Teil von Pensionskassenverantwortlichen kein oder kaum ein ernst zu nehmender Begriff ist. Sie lassen weiterhin Aktien, Obligationen und andere Wertpapiere in konventionelle Fonds investieren, die hohe Treibhausgasemissionen verursachen, und zu viele von ihnen machen sich wenig Gedanken darüber, wie sie als Aktionäre Einfluss auf die klimaschädlichen Unternehmen nehmen können, die sie finanzieren. Zudem missachten sie mit ihren Immobilien das offizielle Netto-Null-Ziel der Schweiz für das Jahr 2050.

Noch besorgniserregender ist die Erkenntnis, dass sich ein erheblicher, besonders rückständiger Teil dieser Pensionskassen offensichtlich noch gar nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt hat. Dies ist das Ergebnis eines längeren, interaktiven Prozesses der Erfassung im Klima- und Nachhaltigkeitsrating und des unverzüglich anschliessenden Dialogangebots. Die Klima-Allianz hat versucht, durch wiederholtes Nachfragen, Vorschlägen zum weiteren Vorgehen und den proaktiven Versand ihrer Liste nachhaltiger und klimafreundlicher Anlagelösungen für Pensionskassen, die sich als Ersatz für konventionelle Fonds eignen, sowohl die Richtigkeit des Ratings sicherzustellen als auch erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit anzuregen. Wenig überraschend lag die Nichtbeantwortungsrate bei fast 90%. Kaum mehr als ein Zehntel der angeschriebenen Pensionskassen erwiesen sich als besser als vermutet und konnten dank ihrer Mitteilung von bisher nicht öffentlich bekannten Fakten höher eingestuft werden.

Der überwiegende Teil dieser Vorsorgeeinrichtungen ist daher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als “ESG Beginners” zu betrachten. Sie  werden von der Klima-Allianz bis zum Nachweis ausreichender Fortschritte auf der gleichnamigen Liste geführt.

Aus diesem Grund hat die Klima-Allianz ihnen im Oktober 2024 das Informationsschreiben “ESG und Klima – Ihr Risiko- und Wirkungsmanagement in der Vermögensanlage” zugestellt. Adressaten waren die einzelnen Stiftungsratsmitglieder der Liste der vermuteten “ESG Beginners”. Diese sind individuell und kollektiv für die gesetzeskonforme Führung ihrer Vorsorgeeinrichtung rechtlich verantwortlich.

Nachfolgend fassen wir den Inhalt des offenen Briefes zusammen.

Das Risiko für die Renten

Je länger die verantwortlichen Organe der Pensionskassen mit Umsetzungsmassnahmen zuwarten, desto grösser wird das finanzielle Risiko für die Renten. Bei passivem Verhalten kann für jedes einzelne Mitglied dieser Führungsorgane angenommen werden, dass es seiner treuhänderischen Sorgfaltspflicht nicht nachkommt.

Investitionen in fossil-abhängige Wirtschaftszweige und der fortdauernde Besitz fossil beheizter Immobilien sind zunehmend mit finanziellen Risiken verbunden. Unbewegliche Treibhausgasemittenten haben keine Zukunft. Dies betrifft eine Vielzahl von Unternehmen, die Kohle, Erdöl und Erdgas fördern und verbrauchen, darunter fossile Stromerzeuger und, mit ihren Produkten, Automobilhersteller. Unternehmen, die die Entwicklung hin zu sauberen Energien und E-Mobilität verpassen, laufen Gefahr, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Investitionen in fossile Energien verlieren an Attraktivität, während grüne Anlagen an Wert gewinnen. Die Kosten für erneuerbare Energie sinken. Von dieser Entwicklung ist auch der Immobiliensektor betroffen. Die Nachfrage nach Wohnraum in grünen Immobilien steigt, da Mieter von niedrigeren Nebenkosten profitieren. Dies führt dazu, dass Immobilien, die von fossilen Energien abhängig sind, für Mieter immer unattraktiver werden.

Der Boom der erneuerbaren Energien bietet dagegen eine grosse Chance für die Stützung künftiger Renten. Klimarisiken sind materiell. Das Ernstnehmen der “financial materiality“, wie es im globalen Finanzjargon genannt wird, ist für die zuständigen Instanzen kein “Kann”, sondern ein “Muss”. Das Gesetz über die berufliche Vorsorge schreibt es zwingend vor. Die Klima-Allianz stützt sich auf die beiden von ihr in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten von Niederer Kraft Frey aus dem Oktober 2018 und – in noch bekräftigender Weise – vom November 2022. Diese präzisieren, welche Vorkehrungen die Stiftungsratsmitglieder als Einzelne und als Gremium zu treffen haben. Diese Sicht wird indirekt auch vom Pensionskassenverband ASIP im Rahmen seiner ESG-Wegleitung unterstützt.

Das Risiko für Klima, Menschheit und Planet

Nicht nur das finanzielle Risiko ist relevant. Bei Fortsetzung des konventionellen Investitionsverhaltens ist mit einer Erderhitzung zu rechnen, die weit über die notwendige Begrenzung auf 1,5 °C hinausgeht.  Die anhaltende, bedingungslose Finanzierung der dafür verantwortlichen Grossunternehmen birgt ein erhebliches Risiko für die Menschheit und den Planeten. Es ist notwendig, dass die Finanzflüsse stattdessen Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise fördern.

Massive Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft, Klimaanpassung und Klimagerechtigkeit sowie in Mikrofinanz zur Unterstützung der Resilienz benachteiligter Gruppen in den Ländern des globalen Südens sind dringend notwendig. Diese Faktoren werden international, so auch durch den Pensionskassenverband ASIP, als ernstzunehmende “impact materiality” bezeichnet. Auch der Bund fördert das Wissen über die “double materiality“. Eine ungenügende Berücksichtigung der “Financial materiality” und der “Impact materiality” birgt zusammen ein doppeltes Risiko: für das Klima und für die Renten.

Das Lösungspaket – ohne Greenwashing

Die Klima-Allianz zeigt in ihrem Offenen Brief “ESG und Klima – Ihr Risiko- und Wirkungsmanagement in der Vermögensanlage” den Weg in die Zukunft auf. Es sind die weltweit anerkannten Wirkungshebel zu Netto Null, welche die UN Net Zero Asset Owners Alliance (NZAOA) in ihrer Roadmap festhält. Dieser Zusammenschluss bedeutender Versicherungen und Pensionskassen setzt mit seiner Vorgabe, an der Umsetzung aller gebotenen Handlungsachsen zu arbeiten, den Goldstandard:

  • Aktive Portfolio-Dekarbonisierung, das heisst zunehmend nur noch in Firmen investieren, die für die Energietransition gut aufgestellt sind.
  • Aktionärseinflussnahme auf Unternnehmen weltweit, die ihr Geschäftsmodell noch zu wenig auf die Klimaverträglichkeit ausgerichtet haben.
  • Explizit wirkungsorientierte Investitionen in die Träger der Energietransition, in Clean Energy, grünen Transport und grüne Immobilien.
  • Einleitung eines ambitionierten Pfades möglichst zu Netto Null 2040 bei den Immobilien, sowohl im eigenen Gebäudepark als auch bei indirekt über Fonds finanzierten Beständen.

Die allen Pensionskassen zur Verfügung gestellte Liste nachhaltiger und klimafreundlicher Anlagelösungen illustriert, mit welchen Anlagegefässen diese Wirkachsen erfolgreich und ohne Gefahr des Greenwashings umgesetzt werden können. Sie ist als Tool zu Netto-Null konzipiert und deckt mit bereits über 200 Wertschriftenpositionen und über 50 “Impact Generating Investments” einen grossen Teil des Marktangebots ab. Wir arbeiten an der umfassenden Weiterentwicklung.

Dieses Tool der Klima-Allianz ist auch für Privatpersonen von grossem Interesse, da die meisten der gelisteten Fonds allen Bankkunden angeboten werden. Zeigen Sie es Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater und präzisieren Sie Ihre Erwartungen.

Die Klima-Allianz wird sich im Rahmen ihres Ratings mit den Bereichen Analyse, Challenging und Consulting weiterhin aktiv für einen starken Zuwachs des Volumens klimaverträglicher und nachhaltiger Investitionen einsetzen.

Kontakt: Sandro Leuenberger, sandro.leuenberger@klima-allianz.ch