Finanzplatz: Schweiz bald fossiles Klima-Schlusslicht?
Die EU geht bei der klimapositiven Umlenkung der Finanzströme mit Vorschriften voran, während der Bundesrat noch auf Freiwilligkeit im Finanzsektor setzt. Mit den heutigen Vorhaben wird die Schweiz und ihr Finanzplatz die ihr obliegenden Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens zur Umlenkung der Finanzströme von Braun zu Grün nicht erfüllen.
Der Bundesrat hat einzig die Frage der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes in Bezug auf die Befriedigung einer möglichen Nachfrage nach grünen Investitionen im Blick. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe soll unter diesem Blickwinkel unter anderem die Auswirkungen der neuen EU-Bestimmungen für die Finanzmarktakteure untersuchen. Der Bericht ist auf Frühjahr 2020 angekündigt. Doch mit seinem überproportionalen Gewicht trägt der Finanzplatz Schweiz eine besondere Verantwortung für die Zukunft der Menschheit und des Planeten. Krass missachtet der Bundesrat die Tatsache, dass unsere global investierten Banken, Pensionskassen und Versicherungen mit ihren Investitionen zusammen 20 mal mehr Treibhausgasemissionen verantworten als der Inlandausstoss unseres Landes.
Seit Anfang Jahr ist in der EU für sämtliche Finanzmarktteilnehmer die Pflicht zur Offenlegung ihrer Strategien zur grünen Ausrichtung ihrer Investitionen gesetzlich vorgegeben. Mit diesem wichtigen Schritt wird die Finanzwirtschaft angehalten, die Investitionsströme von fossilem Braun- hin zu Grüngeld umzulenken. Im Unterschied zur Schweiz gibt sich die EU gesetzliche Vorgaben, damit sie mit ihren Finanzmärkten die Klimaziele des Pariser Abkommens erreichen kann.
Mit der neuen Vorschrift müssen in der EU die Banken mit ihren Fonds für private und institutionelle Anleger, die Pensionskassen sowie die Versicherungen für private und betriebliche Altersvorsorge auf ihren Internetseiten deklarieren, welches ihre Strategien zur Einbeziehung der Nachhaltigkeits- und Klimarisiken in ihre Anlageprozesse sind. Sie müssen nicht nur die finanziellen Klimarisiken der Investitionen einbeziehen, die sie unter ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber Eigner und Investoren bewerten müssen. Pflicht ist ebenfalls die Ermittlung und Verminderung der negativen Wirkungen ihrer Investitionsentscheide auf Klima, Umwelt, Soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Korruption und Bestechung. Somit will die EU proaktiv klare Fortschritte in der nachhaltigen Umlenkung der Investitionen erzielen. Das passive Abwarten, ob sich eine Publikumsnachfrage nach grüner Wirkung des Geldes von selbst einstellt, ist somit Vergangenheit.
«Die Reduktion des Handlungsbedarfs auf das Setzen einiger Rahmenbedingungen zur Bedienung einer möglichen Publikumsnachfrage nach grünen Investitionen ist krass ungenügend angesichts des Klimanotstandes», sagt Sandro Leuenberger, Verantwortlicher Finanzplatz und Klima der Klima-Allianz: «Bundesrat und Politik müssen endlich die Tatsache anerkennen, dass der Finanzplatz der grösste Hebel der Schweiz zur Verhinderung einer katastrophalen Klimaerhitzung von mehr als 1.5 Grad ist.»
Die Klima-Allianz fordert Bundesrat und Politik auf, die Bestimmungen der EU zu den nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungsektor zeitnah und vollständig ins Schweizer Recht umzusetzen. An die Stelle des bisherigen Laissez-Faire muss die aktive Steuerung mit passenden Regulierungen treten. Mit einer neuen, systematisch nachhaltig ausgerichteten Rechtssicherheit erhalten Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Nationalbank optimale Rahmenbedingungen, um sich auf einen zukunftsträchtigen Nachhaltigkeitspfad zu begeben – zum Nutzen sowohl der Finanzwirtschaft mit den Arbeitsplätzen als auch der zukünftigen Generationen unseres Landes und des Planeten.
Hintergrundinformationen
Die Politik des Bundesrates
Bundesrat bekräftigt die Chancen eines nachhaltigen Finanzsektors für die Schweiz (6.12.2019)
Eine interdepartementale Arbeitsgruppe soll bis Frühjahr 2020 den allfälligen Handlungsbedarf ermitteln, der die Fähigkeit, die Nachfrage für nachhaltige Finanzprodukte zu decken sowie zur Erreichung der Klimaziele verbessern soll.
Die neuen Regulierungen der EU
- Financial market participants shall publish on their websites information about their policies on the integration of sustainability risks in their investment decision‐making process.
- Financial advisers shall publish on their websites information about their policies on the integration of sustainability risks in their investment advice or insurance advice.
- Financial market participants shall include:
- information about their policies on the identification and prioritisation of principal adverse sustainability impacts and indicators;
- a description of the principal adverse sustainability impacts and of any actions in relation thereto taken or, where relevant, planned;
- a reference to their adherence to responsible business conduct codes and internationally recognised standards for due diligence and reporting and, where relevant, the degree of their alignment with the objectives of the Paris Agreement.
- information about their policies on the identification and prioritisation of principal adverse sustainability impacts and indicators;
- a description of the principal adverse sustainability impacts and of any actions in relation thereto taken or, where relevant, planned;
- a reference to their adherence to responsible business conduct codes and internationally recognised standards for due diligence and reporting and, where relevant, the degree of their alignment with the objectives of the Paris Agreement;
- information about their policies on the identification and prioritisation of principal adverse sustainability impacts and indicators;
- a description of the principal adverse sustainability impacts and of any actions in relation thereto taken or, where relevant, planned;
- a reference to their adherence to responsible business conduct codes and internationally recognised standards for due diligence and reporting and, where relevant, the degree of their alignment with the objectives of the Paris Agreement.
Nachhaltiges Finanzwesen: EU erzielt politische Einigung über ein einheitliches EU-Klassifikationssystem (EU-Rat, 18.12.2019)
Im Dezember 2019 wurde zwischen EU-Parlament und -Rat eine politische Einigung zur EU-Taxonomie Verordnung erzielt. Sie bildet den Rahmen zur Etablierung einer «grünen Liste» – von ökonomischen Aktivitäten und Klassierung von Unternehmungen als braun; sie beinhaltet auch erweiterte Offenlegungspflichten für Marktteilnehmer. Die EU wird bald über ein gemeinsames Klassifikationssystem verfügen, das Anreize für private Investitionen in nachhaltiges Wachstum bietet und zu einer klimaneutralen Wirtschaft beiträgt. Dies dient als Grundlage zum Entscheid, welche Investitionen als nachhaltig und klimaverträglich gelten dürfen und welche nicht.
Swiss Sustainable Finance, EU Action Plan on Sustainable Finance, Effect on Swiss Financial Institutions, Dezember 2019, Zusammenfassung des aktuellen Standes aller EU Regulierungen
Klimaverträglichkeitsanalyse von Schweizer Pensionskassen- und Versicherungsportfolien, BAFU (2017)
Die Tests zeigen, dass die heutigen Investitionen eine Erwärmung von 4-6 Grad Celsius unterstützen.
Kontakt:
Sandro Leuenberger, sandro.leuenberger@klima-allianz.ch